Pressemitteilung

170 Organisationen fordern Klima-Bürger:innenrat in offenem Brief

Von 27. November 2020Juni 6th, 2021Keine Kommentare

Mehr als 170 Organisationen fordern einen Bürgerrat zur Klimapolitik Am Donnerstag überreichten 172 Organisationen einen Offenen Brief an die Vorsitzende des Umweltausschusses, Frau Sylvia Kotting-Uhl. In dem Offenen Brief fordern die Organisationen die Einberufung eines gelosten Bürger:innenrats zum Thema „Klimagerechtigkeit und Wege aus der ökologischen Krise“. Dieser soll demokratisch legitimierte Maßnahmen für eine sozial ausgewogene und ambitionierte Klimapolitik ausarbeiten und diese als Empfehlungen an den Bundestag übergeben. Aber was genau verbirgt sich hinter der Idee?


Bei einem Bürgerrat kommen über ein mehrstufiges Verfahren 100-150 zufällig ausgeloste Menschen aus ganz Deutschland zusammen, die einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen. Sie werden von unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beraten und entwickeln in moderierten Gruppendiskussionen Handlungsempfehlungen für das Parlament und die Regierung. Ein solcher Bürgerrat sorgte zuletzt in Frankreich für Aufsehen, wo Präsident Macron ein solches Gremium einsetzte, um auf die landesweiten Gelbwesten-Proteste gegen ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen zu reagieren. Im Juni diesen Jahres legte der Rat seine Empfehlungen vor, die weithin als sozial ausgeglichen und ambitioniert gelobt wurden. Aufsehen erregte in den Jahren zuvor auch ein Bürgerrat in Irland, der eine für das zutiefst katholische Land vorher als unmöglich erachtete ausgewogene und respektvolle Debatte zur Reform des Abtreibungsrechts und die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe ermöglichte.

Bürgerräte können verhärtete Fronten überwinden und verschiedene Handlungsmöglichkeiten sichtbar machen. Dies hätten die Erfahrungen mit Bürgerräten in anderen Ländern gezeigt, meint Philipp Verpoort von Klimamitbestimmung, einer der Mitinitiatoren des Offen Briefes. Die “gleichberechtigte und transparente Beratschlagung der Teilnehmenden über unterschiedliche Lebenswelten hinweg schafft gegenseitiges
Verständnis”. Nur so könnten demokratisch legitimierte und damit von der Bevölkerung mitgetragene Maßnahmen zur Klimapolitik entstehen, wird im Offenen Brief argumentiert. Besonders im Vergleich zu anderen Formen der Bürgerbeteiligung, bei denen sich oftmals nur gut situierte Bevölkerungsgruppen einbringen, spiegelt ein Bürgerrat durch die geschichtete Zufallsauswahl die Vielfalt unserer Gesellschaft wider. Das steigert die
Anerkennung, die ein solches Gremium in der Gesamtbevölkerung genießt. Mit dem Wissen um den Rückhalt in der Breite der Gesellschaft fühlen sich Politikerinnen und Politiker ermutigt, langfristige und zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen.

Der Offene Brief wurde initiiert vom Netzwerk Klima-Bürgerrat . Die Organisationen dieses Netzwerkes verbindet die gemeinsame Vision eines solchen bundesweiten Klimabürgerrats. Dass man für den im Netzwerk gemeinsam verfassten Brief innerhalb weniger Wochen so viele bedeutende Unterstützer habe gewinnen können, überraschte selbst die Initiatoren. So meinte Heiko Erhardt (Extinction Rebellion): “Unter den 172 Organisationen sind kleine lokale Initiativen ebenso wie das Who is Who der deutschen Umweltszene: Der Deutsche Naturschutzring, die Klima-Allianz, Fridays For Future, GermanZero. Darüber hinaus zeigt die bunte Mischung aus kirchlichen Gruppen, Demokratie-Initiativen und Sozialunternehmen, dass es sich wirklich um ein Thema handelt, welches das Potenzial hat, gesamtgesellschaftliche Unterstützung zu genießen.” Tabea Hosak appellierte im Namen der Initiative Klimamitbestimmung, einer der anderen Initiatoren des Briefes, an die Abgeordneten: “Es ist an der Zeit mutig zu sein! Die Herausforderung ist gewaltig und nur lösbar, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Aber damit das funktioniert brauchen wir Sie – liebe Abgeordneten – damit Sie in Ihre Parteien gehen und dem Bürgerrat das politische Mandat geben, das er braucht, um wirksam zu sein.”

Der Vorschlag stieß auch bei allen anwesenden Mitgliedern des Ausschusses über Parteigrenzen hinweg auf Unterstützung und Interesse. Die Vorsitzende Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) betonte: “Es ist die Stunde, um partizipative Elemente in die Klimapolitik einzubauen.” CDU-Obfrau Dr. Anja Weisgerber mahnte an, dass Bürgerinnen und Bürger bei einer konsequenten Energiewende und Klimapolitik beteiligt werden müssten, um die Akzeptanz in der Bevölkerung sicherzustellen: “Wir müssen die Bürger mitnehmen”, so Weisgerber. Auf ihre positiven Erfahrungen mit Bürgerbeteiligungsverfahren verwiesen sowohl der stellvertretende Vorsitzende des
Ausschusses, Michael Thews (SPD), als auch der Obmann der Linken, Ralph Lenkert. Auch von der FDP kamen positive Signale. Dr. Lukas Köhler freute sich darüber, dass der vorgeschlagene Bürgerrat die Repräsentationsprobleme in den aktuellen politischen Institutionen adressierte. Sowohl die anwesenden Mitglieder des Ausschusses als auch die Initiatoren des Briefes betonten mehrmals, dass der Bürgerrat kein Ersatz, sondern eine sinnvolle Ergänzung der parlamentarischen Demokratie sei.

Die Übergabe des Offenen Briefes fällt zeitlich zusammen mit dem Start einer ePetition von Klimamitbestimmung beim Deutschen Bundestag, die ebenfalls einen Bürgerrat zur Klimapolitik fordert. Bis zum 17.12.2020 können die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik noch unterzeichnen. Alle Informationen zur Petition inklusive einem kurzen Erklärvideo sind auf der Seite https://petition.klimamitbestimmung.de zu finden. Den genauen Wortlaut des Offenen Briefs sowie alle unterstützenden Organisationen können auf der Website https://klima-rat.org/ nachgelesen werden.